Die in Berlin lebende Künstlerin Mehtap Baydu arbeitet mit Skulptur, Performance und Fotografie. Ihre Werke spiegeln die sozialen Strukturen der multikulturellen Gesellschaft und versuchen zugleich, Rollenverständnisse und gesellschaftliche Normen kultur- und raumübergreifend zu betrachten.
Die Lippen der schönen Damen
Mit ihrer Arbeit bezieht sich Baydu auf ein traditionelles Gebäck ihrer Heimat, das den Namen „Die Lippen der schönen Dame“ trägt. Für die Herstellung der Löffel nahm Baydu Abdrücke der Lippen von sechs Frauen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und übersetzt die osmanische Tradition , besonders köstliche Speisen mit der Schönheit weiblicher Körperteile zu verbinden. Baydus Arbeit gewinnt so eine politische Dimension, indem sie sich mit dem kulinarisch-sinnlichen Erlebnis gegen die starren moralischen Einschnürungen in der heutigen Türkei wendet.
Faulheit – Siebte Sünde
In ihrer neuen Arbeit bezieht sich Baydu auf die Darstellungen der Sieben Todsünden (um 1530-40) von Peter Dell dem Älteren, der sie im Kontext seiner Zeit in Frauengestalt abgebildet hat. In der Sammlung Renaissance-Barock-Aufklärung befinden sich sechs der Skulpturen, nämlich Hoffart, Geiz, Wollust, Neid, Völlerei und Zorn. Mehtap Baydu kommentiert die Todsünden Dells auf ihre Weise und vervollständigt sie mit einer Bronzefigur, die sie selber darstellt. Mit diesem Selbstbildnis wird die Künstlerin selbst zur 7. Todsünde: Faulheit (Feigheit, Ignoranz, Überdruss, Trägheit des Herzens).
Baydu reflektiert in ihren Kunstwerken oft die Rolle der Frau in der Gesellschaft, indem sie in anderen Rollen schlüpft. Während in Deutschland auf unterschiedlichsten Ebenen hinsichtlich der Stellung der Frau gearbeitet wird, werden in anderen Teilen des Globus Frauen in die Zeit Peter Dell zurückversetzt:
„Stelle ich mir die Frage, ob die Todsünden verwerflich oder ob sie legitimer Teil des Daseins sind, komme ich nach kritischer Überprüfung meines Lebens zu dem Schluss, dass ich eine Sünderin im Sinne der Definition bin.
Wir leben im 22. Jahrhundert, entsprechen die gesellschaftlichen Veränderung bei der Betrachtung von Rollenbildern dem was zu erwarten wäre oder hat sich nur die Kleidung verändert.“
Die Arbeit Die 7.Todsünde (2021) wurde für die Ausstellung entwickelt.
Mehtap Baydu wurde in Bingöl in der Türkei geboren. Sie studierte Bildhauerei an der Hacettepe Universität und an der Kunsthochschule Kassel mit Prof. Dorothee von Windheim. Sie ist mit Performance- und Installationsarbeiten bekannt geworden und bewegt sich damit in internationalem Rahmen. Baydu konzentriert sich auf Geschlechterrollen, sensible religiöse und politische Themen in multikulturellen Kontexten, wobei sie das Publikum in ihre Performances miteinbezieht und es mit symbolischen Objekten und Situationen herausfordert. eben Performance und Installation verwendet sie Skulptur und Fotografie als Medium, um ihr künstlerisches Anliegen bestmöglich zum Ausdruck zu bringen und zu vermitteln.
Sie nahm an zahlreichen Gruppenausstellungen teil, darunter:
– 6. Ural Industrial Biennale, Yekaterinburg;
– State and Nature in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden, 2021;
– Worte sind sehr unnötig, Arter Istanbul, 2019-2020;
– Meleklerin-Aktie, Depo, Istanbul, 2017;
– Bröhan-Museum Kuss, Berlin, 2017.
Mehtap Baydu lebt und arbeitet in Berlin.