Die Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg beherbergt „rund 1,3 Millionen Objekte von der Frühzeit bis zur unmittelbaren Gegenwart“. Das Projekt Nürnberg im 21. Jahrhundert von Henrike Naumann spürt dieser „unmittelbaren Gegenwart“ nach. Ausgehend von der Puppenhaus-Sammlung des Museums und insbesondere dem Stromerschen Puppenhaus als einem der bedeutendsten Exponate des Museums, setzt sich die Künstlerin mit der Geschichte des Rechtsterrorismus in Nürnberg und Bayern seit den 1980er-Jahren auseinander. Die Künstlerin nutzt die Puppenhäuser, die weniger Spielzeug sondern vielmehr Anschauungsmodelle für gesellschaftliche Rollen und Strukturen waren, als Zugang zum Thema und erzählt anhand ausgewählter Objekte von einschneidenden Ereignissen der jüngeren Nürnberger Geschichte: vom Verbot der Wehrsportgruppe (WSG) Hoffmann über den Fund eines Waffenarsenals 1980 und dem Amoklauf von Helmut Oxner in der Nürnberger Diskothek „Twenty Five“ 1982 bis zu wie den Anschlägen des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Nürnberg (1999, 2000, 2001 und 2005).
Henrike Naumann wurde 1984 in Zwickau (DDR) geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Naumann reflektiert gesellschaftspolitische Probleme auf der Ebene von Design und Interieur und erkundet das Reibungsverhältnis entgegengesetzter politischer Meinungen im Umgang mit Geschmack und persönlicher Alltagsästhetik. In ihren immersiven Installationen arrangiert sie Möbel und Objekte zu szenografischen Räumen, in welche sie Video- und Soundarbeiten integriert. In Ostdeutschland aufgewachsen, erlebte Naumann in den 1990er-Jahren rechtsextreme Ideologie als dominante Jugendkultur. Ihre Praxis reflektiert die Mechanismen der Radikalisierung und deren Zusammenhang mit persönlicher Erfahrung. Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, darunter 4. Ghetto Biennial in Port-Au-Prince (2015), 3. Herbstsalon im Maxim Gorki Theatre Berlin (2017), Busan Biennial (2018), Riga Biennial (2018), Steirischer Herbst, Graz (2018), und 6.Ural Industrial Biennial (2021).
Die Arbeit „Nürnberg im 21. Jahrhundert“ (2021) wurde für die Ausstellung entwickelt. Courtesy of the artist and KOW Berlin